Kalziummangel ohne Milchprodukte?
Wenn es um das Thema Kalzium geht, denken wohl die meisten von uns an Milchprodukte – und manch einer erinnert sich vielleicht sogar noch an eine Zeit, in der schon die Großmutter predigte, man müsse genügend Milch trinken, um langfristig gesunde und starke Knochen zu haben.
Kalzium ist ein Mineralstoff, welcher unter anderem für die Bildung von Knochen und Zähnen, Muskelkontraktionen und die Reizübertragung von Nervenzellen, die Blutgerinnung und einen regelmäßigen Herzrhythmus verantwortlich ist und vorwiegend in den Knochen gespeichert wird. [1]
Es ist unbestritten, dass Milchprodukte hinsichtlich ihres Kalziumgehalts mit etwa 240 mg pro Glas zu den vermeintlichen Spitzenreitern zählen, in Käse sind je nach Sorte sogar bis zu 900 mg pro 100 g enthalten. [2]
Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) liegt der Bedarf eines Erwachsenen bei Rund 1000 mg pro Tag. [3]
Doch das vermeintliche Superfood steht seit geraumer Zeit auf dem Prüfstand und wirft immer mehr Fragen auf – auch unter Carnivoren gibt es immer mehr solche, die sich bewusst entscheiden, auf den Konsum von Milch zu verzichten.
Zum einen haben die konventionell und durch industrielle Verfahren wie der Pasteurisierung oder Homogenisierung hergestellten Produkte kaum mehr etwas mit dem ursprünglichen Lebensmittel zu tun, da durch den Vorgang der Erhitzung die meisten Enzyme zerstört und wertvolle Aminosäuren denaturiert werden. [4] So konnte in Versuchen gezeigt werden, dass Kälber, welche pasteurisierte Milch der eigenen Mutter erhielten, im Vergleich zu solchen, die mit unbehandelter Rohmilch gefüttert wurden, extreme Defizite in Wachstum und Entwicklung aufwiesen und teilweise innerhalb des ersten Lebensjahres verendeten. [5]
Rohmilch scheint zwar einige gesundheitliche Vorteile mit sich zu bringen, allerdings ist sie für die meisten von uns wenn überhaupt nur noch schwer zu bekommen und ändert nichts an der Tatsache, dass die heutige Milchwirtschaft mit ihren Milchmaschinen wenig mit einem natürlichen Lebensmittel zu tun hat. Die auf möglichst viel Leistung hochgezüchteten Rinder der heutigen Zeit leiden nicht selten unter wiederkehrenden Entzündungen am Euter, die wiederum medikamentös behandelt werden müssen – auch in der sogenannten biologischen Landwirtschaft! [6]
Weiters bewirkt der Milchkonsum eine hohe Ausschüttung von Insulin und enthält Opioide, welche Essensgelüste fördern können und sich dadurch gerade für viele, die sich durch die Carnivore Ernährung von der Sucht nach Kohlenhydraten befreien möchten, kontraproduktiv auswirkt. [7]
So stellt sich also die Frage, ob der tägliche Kalziumbedarf durch eine rein fleischbasierte Ernährung überhaupt zu decken ist und wenn ja, wie?
Einerseits muss hinterfragt werden, ob die Empfehlungen der DGE, die sich auf die allgemein bekannte, kohlenhydratlastige Ernährungspyramide beziehen, überhaupt auf die Carnivore Ernährungsweise übertragbar sind. So berichtet auch Dr. Paul Saladino über eine Studie, die nachweisen konnte, dass Kalzium durch einen hohen Proteinkonsum viel besser bioverfügbar ist und dadurch effizienter im Darm absorbiert werden kann. [8] Zudem behindern viele Antinährstoffe wie Lektine oder Oxalsäure, welche in pflanzlichen Nahrungsmitteln vorkommen, die Absorption von Kalzium. [9] Dies lässt vermuten, dass Carnivoren ohnehin einen viel geringeren Tagesbedarf decken müssen als allgemein empfohlen.
Eine weitere Studie, die „Meat Only Study“, begleitete zwei erwachsene Männer, die sich ein Jahr lang strikt nur von Fleisch ernährten und ergab, dass nach Ablauf der Zeit keiner von den beiden einen Kalziummangel aufwies.
Dieses Ergebnis bewegte Forscher der Harvard Universität dazu, die Skelette von Inuit zu untersuchen, welche sich über Generationen hinweg ihr ganzes Leben lang nur von Fleisch ernährten. Auch hier konnten keinerlei Mängel gefunden werden. [10]
Einer der Hauptgründe, welcher Menschen dazu bewegt, sich mit dem Thema zu beschäftigen, ist die Sorge, durch eine Unterversorgung mit Kalzium an Knochendichte zu verlieren und in weiterer Folge an Osteoporose zu erkranken. Doch obwohl in Japan oder China beispielsweise kaum Milch konsumiert wird, sind die Osteoporoseraten bei weitem geringer als hierzulande, bzw. im deutschsprachigen Raum. [11]
Man könnte zwar argumentieren, dass diese Menschen ihren Tagesbedarf womöglich durch einen hohen Anteil an kalziumhaltigen, pflanzlichen Nahrungsmitteln decken, allerdings ist hier wiederum fraglich, wieviel von diesem Kalzium überhaupt verwertet werden kann, da wie beschrieben die zahlreichen Antinährstoffe die Aufnahme im Darm behindern.
Was die Umwelt und Lebensgewohnheiten dieser Bevölkerungsgruppen allerdings von der unseren unterscheidet, sind die Sonneneinstrahlung (und dadurch bessere Versorgung mit Vitamin D) und mehr Bewegung im Alltag. Beide Faktoren sind nicht nur wichtig für gesunde Knochen, das Vitamin D und auch Magnesium sind essentiell, um von außen zugeführtes Kalzium überhaupt verwerten zu können! [12]
Sehr wohl aber sei es laut Dr. Paul Saladino ratsam, bei der täglichen Auswahl an Fleisch auf den „Nose-to-tail“ - Ansatz zu setzen. Das heißt, möglichst alles vom Tier zu konsumieren, auch Organe, Knochen und Knorpel, da diese den höchsten Gehalt an Nährstoffen aufweisen. [13]
Neben weichgekochten Knochen (im Druckkochtopf beispielsweise) oder Knochenbrühe enthalten auch Eierschalen beachtliche Mengen an Kalzium. Diese können einfach getrocknet und zu Pulver vermahlen werden.
Zu guter Letzt sind noch Meerestiere zu nennen, wobei hier besonders der regelmäßige Verzehr von Sardinen empfohlen wird, da diese kleinen Fische am wenigsten mit Schwermetallen belastet sind. [7], [13]
Wie wir feststellen können, ist das Thema Kalzium ein sehr vielschichtiges und für ein endgültiges Fazit fehlt es noch an Langzeitstudien. Durch die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse können wir aber schlussfolgern, dass die Carnivore Ernährung auch ohne Milchprodukte nicht automatisch zu einem Kalziummangel führen muss und eine abwechslungsreiche Auswahl an Carnivoren Lebensmitteln, regelmäßige Bewegung und ein möglichst natürlicher Tagesrhythmus mit ausreichend Sonnenlicht die Basis für einen ausgewogenen Lebensstil darstellen.
Quellen:
[1] https://www.gesundheit.gv.at/leben/ernaehrung/vitamine-mineralstoffe/mengenelemente/calcium.html
[3] https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/calcium/
[4] https://tghncollections.pubpub.org/pub/18-pasteurisierung/release/1
[5] https://hof-hellmig.de/aktuelles/astrids-gedanken/ist-milch-ungesund/
[6] https://www.zeit.de/zeit-wissen/2006/01/Milch.xml/seite-2
[7] https://www.kevinstock.io/health/dairy-and-the-carnivore-diet/
[8] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22127335/
[9] https://www.mentalfoodchain.com/antinaehrstoffe/
[10] https://jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/241588
[11] https://www.forum-ernaehrung.at/artikel/detail/news/detail/News/milch-fuer-oder-gegen-osteoporose/
[12] https://discover.texasrealfood.com/carnivore-diet/carnivore-diet-calcium
[13] https://www.paulsaladinomd.co/resource/is-calcium-needed-on-a-carnivore-diet
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