Überhydrierung macht dich krank
Wer kennt diesen total unlogischen Ratschlag nicht: „Trinke bevor du durstig bist!“? Das ist wie „Iss bevor du hungrig bist!“ oder „Atme bevor du…!"
Wasser ist die Grundlage allen Lebens. Hydriert sein ist wichtig. 2,5 Liter sollten täglich mindestens getrunken werden. So zumindest lautet die gängige Empfehlung. Indigene Völker allerdings trinken tatsächlich beträchtlich geringere Mengen und widerstehen ohne weiteres extremer Hitze. Wie ist das möglich?
Wasser in Lebensmitteln wird ca. bis zu 65 % im Dünndarm und 35 % im Dickdarm absorbiert. Je nach Beschaffenheit der Lebensmittel kann der Körper mehr oder weniger Mengen von zellverfügbarem Wasser aus ihnen extrahieren.
Es verdünnt das säurehaltige Milieu im Magen und Dünndarm und schwemmt gleichzeitig hilfreiche Bakterien aus, die für die Verdauung notwendig sind.
Prof. Tim Noakes warnt in seinem Buch “Waterlogged” vor zu viel Wassertrinken.
Am Beispiel einer jungen Frau, die bei kühlen Temperaturen beim Boston Marathon zusammengebrochen und schließlich im Krankenhaus verstorben ist, erklärt Noakes dieses vermutlich häufig auftretende Problem der Hyperhydration. Der Salzgehalt des Blutes der jungen Frau ist auf einen so tiefen Wert gesunken, was einen Zusammenbruch ihrer Körperfunktionen zur Folge hatte. Man sagt auch Hyponaträmie dazu, da zu wenig Natrium im Blut ist.
Mit den Salzen Kalium und Natrium verhält es sich so, dass Kalium im Zellinnern ist, Natrium außerhalb. Nur wenn der Gehalt beider ausgeglichen ist, kann ein Austausch zwischen Zellinnerem und Zelläußerem stattfinden durch Osmose. Sinkt der Natriumgehalt dagegen außerhalb der Zelle zu sehr an, sammelt sich vermehrt Wasser in den Zellen. Es entstehen Ödeme. Im schlimmsten Fall können Lungen- oder Gehirnödeme zum Tod führen.
Tim Noakes stellt fest, dass diese Tode bei Sportlern immer häufiger auftreten und das Problem auch nicht erkannt wird, weil man es kaum kennt. Man diagnostiziert dann oft das Gegenteil, nämlich eine Dehydrierung. Der Ratschlag für Sportler, ständig während eines Laufes zu trinken, obwohl kein Durstgefühl vorhanden ist, kann also gefährlich werden.
Tim Noakes verweist hier auch auf die Jadgtechniken afrikanischer Ureinwohner. Sie trinken bei hohen Temperaturen während der Jagd zu Fuß oft über Stunden andauernd nicht zwischendurch.
Es gibt ein Hormon, das Vasopressin, welches uns automatisch signalisiert, wenn der Salzgehalt des Körpers über einen bestimmten Wert ansteigt. Es verursacht das Durstgefühlt. Wer also als Sportler keinen Durst beim Dauerlauf verspürt, der sollte auch nicht zwischendurch trinken.
Ähnlich wie bei Sportlern verhält es sich auch bei unseren Babies oder Kleinkindern und Senioren.
Kleinkinder bekommen natriumarmes Mineralwasser. Ihre Mahlzeiten sollen möglichst nicht gesalzen werden. Stattdessen gibt man ihnen reichlich zu trinken.
Wenn es nicht Wasser ist, dann ist es häufig Fruchtsaft, der ebenfalls natriumarm ist. Das macht die Kinder zudem satt, so dass sie keinen Appetit auf eine salzige ordentliche Mahlzeit haben.
Häufig müssen Kleinkinder wegen Hyponaträmie ins Krankenhaus. Eine Infusion löst das Problem des Salzmangels dort sofort.
Auch Senioren werden in Heimen nur mit salzarmer Kost versorgt. Aber sie werden regelrecht dazu gezwungen, eine ausreichende Menge zu trinken. Häufig auch in Form von Fruchtsaft, weil sie es sonst nicht schaffen, die Mengen an Flüssigkeit zu trinken. (Ich spreche da aus eigener Erfahrung bei meinen Eltern. Der Zwang zu trinken ist schlimmer als die Hausaufgabenpflicht bei Kindern.)
Dann nehmen Senioren häufig besonderes Blutdrucksalz, dass arm an Natrium, aber reich an Kalium ist. Das verschlimmert das Ungleichgewicht zwischen Natrium und Kalium um so mehr. Und wie viele Senioren haben mit Ödemen und Wassereinlagerungen zu kämpfen?
Dazu kommen Diuretika, die die Flüssigkeiten im Körper wieder mitsamt der Mineralien, insbesondere Natrium ausschwemmen.
Dieses Phänomen nennt man auch Wasservergiftung.
Der Schwächeanfall bei Senioren ist dann wie bei Kleinkindern im Krankenhaus durch eine Infusion mit ausreichend Salzen schnell gelöst.
Vermutlich wäre es besser, das Essen stärker zu salzen, damit ein größeres Durstgefühl auftritt.
Aber Wasser enthält doch auch Mineralstoffe? Das ist richtig. Je nach Beschaffenheit der Quelle werden vom Wasser unterschiedliche Sedimentschichten abgetragen, die den individuellen Geschmack prägen. Silicium beispielsweise kommt häufig in Vulkangestein vor und verleiht dem Wasser ein weiches und fast schon buttriges Mundgefühl. Aus diesem Grund erfreuen sich Volvic und Fiji so großer Beliebtheit.
Jedoch kann der Körper in Trinkwasser enthaltene Mengen kaum absorbieren. Das hängt damit zusammen, dass diese nicht an Nährstoffe gebunden sind und somit zum größten Teil nicht über den Darm absorbiert und den Zellen zur Verfügung gestellt werden können. Das meiste Wasser, was wir trinken, fließt tatsächlich einfach durch unseren Verdauungstrakt, wird in den Nieren gefiltert und einfach wieder ausgeschieden. Auf seinem Weg bindet es Mineralien und Vitamine.
Der Mensch benötigt selbstverständlich Flüssigkeit, um zu überleben. Von großen Mengen Wasser ist allerdings abzuraten, da erstens die Verdauung gestört, zweitens Nährstoffe ausgeschwemmt und drittens keine optimale Hydrierung erfolgt.
Fleisch beinhaltet ca. 70 % Wasser, eine Wassermelone sogar bis zu 90 %. Die Flüssigkeit in diesen Lebensmitteln hat eine wesentlich bessere Bioverfügbarkeit als normales Trinkwasser. Um festzustellen, ob der Körper gut hydriert ist, ist nicht viel mehr nötig, als auf das persönliche Durstempfinden zu achten.
[1] Noakes, Tim 2012: Waterlogged: The Serious Problem of Overhydration in Endurance Sports.
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Beatrix (Montag, 02 September 2024 08:28)
Wie es scheint, gilt auch beim Thema (Wasser) Trinken , dass wir das Gegenteil von dem tun sollen, was uns empfohlen wird!
Neben Prof. Noakes gibt es einige andere kluge Leute, die auf die Gefahren hinweisen. Ein sehr interessanter Ansatz is die "Deutenomik" (Begriff "deutenomics" von Dr. László Boros), die noch sehr neue Wissenschaft von der Wirkung von Deuterium (in "schwerem" Wasser).
Wasser enthält fast immer viel Deuterium und kann somit Krankheiten begünstigen!
Interessanterweise sind vor allem Kohlenhydrate und Industrieprodukte Deuteriumlieferanten, während Fette - insbesondere tierische aus Weidehaltung (!) - am wenigsten enthalten.
Das könnte den Erfolg von Keto-Carnivore erklären.
Interessant dazu der Carnivore Roundtable vom 29. 12. 2023 auf YouTube mit den Doktoren Kiltz, Boros und Chaffee, weiters auch die Webseite von Dr. Davelaar drpetrad.com.
Ich denke, dass wir bald mehr von Deuterium hören werden!
Andrea Siemoneit (Montag, 02 September 2024 08:45)
Liebe Beatrix, das mit dem Deuterium ist auch eine interessante Sache. Darüber steht auf alle Fälle noch ein Artikel aus.
Anca (Montag, 23 September 2024 12:13)
Was aber ist bei Senioren, die etwas oder stark dement sind und nicht mehr gut schmecken können und die kaum noch Hunger oder Durst verspüren?
Meine 90jährige Mutter, zudem blind wiegt 36kg. Sie verspürt kaum Hunger und noch weniger Durst. Aber süß geht fast immer.